Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

wenn Sie Eigentümer einer Wertpapieranlage sind, werden Sie im Laufe dieses Jahres womöglich ab und zu einen verängstigten Blick in Ihr Depot geworfen haben. Verfügen Sie hingegen über keine Wertpapieranlage (z.B. in Aktien), dann haben Sie gegebenenfalls das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Nach dem katastrophalen Start zu Jahresbeginn, dem anhaltenden fürchterlichen Terror in Europa und dann auch noch dem Brexit-Schock im Juni fühlen Sie sich mit dem dicken Polster auf dem Tagesgeldkonto wohl und sind heilfroh keine Aktienanlage eingegangen zu sein?

Brexit - EU Ausstieg GrossbritannienDoch der Eigentümer eines gut diversifizierten Wertpapierdepots schaut nach den ersten sieben Monaten des Jahres positiv überrascht in seinen Depotreport und erfreut sich an den schwarzen Zahlen. Ja, da steht tatsächlich ein Gewinn! „Panikstart, Terror, Brexit – na und?“ könnte er sich in Bezug auf sein Anlageergebnis fragen. Die Wirklichkeit der Zahlen steht ganz im Gegensatz zur gefühlten Realität. Wie kann das sein? Der „Tagesgeldhorter“ bleibt hingegen der Verlierer mit real negativer Rendite.

 

Starke Nervosität zu Jahresbeginn  

Der Start ins Jahr 2016 war für die globalen Aktienmärkte einer der schlechtesten überhaupt. Bis Mitte Februar legte der heimische DAX eine Bremsspur von über -17 % auf das Börsenparkett. Ruhe und ein klarer Verstand waren gefragt! Wie in solchen Situation stets der Fall, trugen scheinbar wissende Marktexperten vor, dass diejenigen die großen Verlierer wären, die als letzte aus dem Markt gingen. Unheilvolle Wochen stünden noch bevor. Sie können sich vielleicht in etwa vorstellen, wie gut dieser Rat zur Flucht gewesen ist.

Derartige taktische Aktivitäten können sehr teuer werden. Die besten Börsentage eines Jahres verbringt man auf diese Weise schnell als Zuschauer am Straßenrand.

Was war die Ursache für diese starken Schwankungen? Die Konjunkturerwartungen waren zwar etwas eingetrübt, doch die Gewinnsituation und der Ausblick der Unternehmen waren positiv. Ursächlich war die Gemengelage aus niedrigem Ölpreis (gleichbedeutend mit steigenden Kreditausfallwahrscheinlich-keiten in der Ölindustrie), der Erwartung steigender US-Zinsen und Befürchtungen einer negativen Entwicklung der gewichtigen chinesischen Wirtschaft. Es waren also keine geschaffenen Realitäten, sondern allerhand Pessimismus in den Köpfen, was den Verkaufsdruck am Markt auslöste.

Wir befinden uns in einer Phase moderaten bis schwachen Weltwirtschaftswachstums sowie historisch hoher und weiter anwachsender (Staats-)Verschuldung. Das Weltfinanzsystem steht unter Druck. Die Teilnehmer an den Finanzmärkten sind sich dieses Umstands bewusst und fürchten ein Ereignis, welches das Finanz- bzw. Schuldensystem zum Kippen bringen könnte. Dieser fragile Zustand, und damit einhergehend eine gewisse Nervosität, werden uns auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Dazu später mehr.

 

Brexit-Schock im Juni

Ähnliche Ängste schürte das britische Referendum. Wenn Sie nicht mehr genau wissen, an welchem Tag im Juni diese Abstimmung stattgefunden hat, dann werfen Sie einfach einen Blick auf den Chart des DAX. Schnell ist der 23.06. lokalisiert. Vom Tageshoch des 23. bis zum Tagestiefstkurs am 24. Juni ergab sich intraday in der Spitze ein Minus von 11 %. Die 30 größten deutschen Unternehmen verloren binnen weniger Stunden 11 % ihres Börsenwerts. Nur weil die Briten aus der Europäischen Union auszutreten gedenken? Nein, sicher nicht!

Derzeit steht der Deutsche Aktienindex im Übrigen etwa 3 % über dem Tageshoch des 23. Juni, obwohl Inhalte und Folgen des britischen Referendums nicht wirklich klarer geworden sind als an jenen Junitagen.

Innerhalb kurzer Zeiträume haben wir dieses Jahr also schon starke Abwärts- und Aufwärts-bewegungen gesehen. Diese Schwankungen werden auch als „Volatilität“ bezeichnet. Unter dem Strich stehen aber bislang Kursgewinne.

 

Vergleich zu historischen Volatilitäten

Diese Bewegungen hinterlassen den Eindruck, dass wir uns heutzutage mit einer höheren Volatilität der Aktienmärkte konfrontiert sehen. Der historische Vergleich bringt aber die nächste Überraschung auf den Tisch der Erkenntnis. Nehmen wir zunächst wieder den DAX und analysieren die Volatilität der vergangenen 12 Monate, so kommen wir auf eine Standardabweichung von etwa 21 %. Dieser Wert entspricht ziemlich genau dem historischen Durchschnitt und ist Ausdruck einer gewissen Normalität. Der Zeitraum der letzten drei Jahre verlief mit einem Wert von 17 % sogar etwas ruhiger. Ziehen wir zur Verifizierung dieses Ergebnisses noch den US-amerikanischen S&P 500 zurate, mit seiner durchschnittlichen annualisierten Volatilität von 20 %. Wie sehen hier die Schwankungen der letzten Jahre aus? Im Ergebnis vergleichsweise ruhig mit 16 % in den letzten 12 Monaten und nur 12 % in den zurückliegenden drei Jahren.

Wir haben es folglich zwar immer wieder mit einem kurzfristigen Kurs- bzw. Nervenflackern zu tun. Auf Sicht von mehreren Monaten und Jahren ist aber alles im absolut normalen Bereich.

 

Es gibt keinen Grund keine Aktien zu besitzen!

Aktien sind langfristig, wie in Tabelle 1 zu sehen, für die privaten Vermögensziele der beste Rendite-lieferant. In der Nullzinszeit von heute gilt das mehr denn je.

 

 Tabelle 1: Historische Renditen in Euro (inkl. Dividenden) pro Jahr bis 30.06.2016

Index letzten 3 Jahre letzten 5 Jahre letzten 10 Jahre letzten 20 Jahre letzten 30 Jahre
DAX +6,7 % +5,6 % +5,6 % +6,9 % +6,8 %
MSCI USA +17,6 % +18,1 % +9,0 % +8,7 % +8,9 %
MSCI All Country +12,4 % +11,8 % +6,3 % +6,9 % +7,8 %

 

Sie sind für das Privatvermögen so unverzichtbar wie das Messer in der Küche. Ihr messbares Risiko ist heutzutage nicht größer als damals. Gleiches gilt für eine qualitative Risikobewertung. Doch der Umgang mit ihr sollte strukturiert und mit Bedacht erfolgen, wie das Handling mit einem Messer bei der Essenszubereitung – sonst droht eine Schnittwunde. Eine solche haben sich viele private Anleger in der Vergangenheit zugezogen und die Erkenntnis gewonnen, die Finger von der Aktie zu lassen.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten die gleiche Schlussfolgerung nach einem Ihrer vergangenen Messerschnitte in einen Ihrer Finger gezogen. Sie könnten wohl nur noch Fertiggerichte essen. Keine gute Lösung! Da würde allerhand Lebensqualität auf der Strecke bleiben. Der Verzicht auf die Aktie führt zum selben Ergebnis. Leider sind sich viele Menschen dieser wichtigen Erkenntnis immer noch nicht bewusst und akkumulieren ihr ganzes Vermögen in Lebensversicherungen, Immobilien oder auf dem Tagesgeldkonto.

 

Der strukturierte Aktieneinsatz in 2016

Aktienanlagen schwanken in ihrem Wert. Das wird sich niemals ändern und ist auch gut so. Denn es ist Ausdruck der freien menschlichen Willensbildung bzw. sich wandelnder Konsum- und Investitionspräferenzen. Folglich ändert sich der Wert einer Firma, die Konsum- oder Investitionsgüter oder Dienstleistungen anbietet. Trotzdem ist es nicht jedermanns Sache, wenn sich der Vermögenswert des eigenen Depots regelmäßig um zwischenzeitlich zehn Prozent oder mehr reduziert. Das ist aber noch lange kein Grund, auf die Aktie gänzlich zu verzichten!

Lassen Sie uns zum Beispiel unsere Basis-Wertpapierstrategie „zaldor praemium“ betrachten. Dieses Anlagemodell gibt es in sieben verschiedenen Risikoklassen, von 10 bis 100 % Aktienanteil. Nach einem sorgsamen Risikoprofiling landen die meisten Kunden bei 35 % Aktien.

Die globale Aktienverteilung bezieht ganz bewusst auch kleine Aktiengesellschaften mit ein und konzentriert sich außerdem auf Unternehmen mit relativ niedriger Börsenbewertung. Diesem Aktienteil stehen festverzinsliche Wertpapiere (Renten) zur Seite. Auch hier wird Wert auf eine globale Verteilung (nur OECD-Mitgliedsstaaten) gelegt. Ebenso wichtig ist für uns eine hohe bis sehr hohe Bonität der Schuldner. Das Renten-Portfolio ist außerdem währungsgesichert. Dritter Baustein neben Aktien- und Rentenanlagen sind für uns die Edelmetalle, die wir ab einem Aktienanteil von 50 % immer einsetzen und darunter kundenindividuell. Sie stabilisieren die Schwankungen der Aktien zusätzlich.

Wie hat nun unser „Eck-Kunde“ mit 35 % Aktienanteil bis Ende Juli in diesem so derart unruhig anmutenden Jahr abgeschnitten? Er freut sich über ein Plus von 4,0 %. Jene Anleger, die eine Edelmetallbeimischung nutzen, stehen bei über +5,5 % seit Jahresanfang.

Waren diese Depots auch geschockt vom Brexit? Nein! Vom 23. bis hin zum 27. Juni ergab sich eine zwischenzeitliche Korrektur in der Größenordnung von einem Prozent. Einer funktionierenden Diversifikation sei Dank! Die Aktienanlagen außerhalb des Euro verloren nicht bzw. kaum an Wert, weil ihre Kurseinbußen durch den schwächelnden Euro kompensiert wurden. Unser Rententeil und die Edelmetallkomponente wurden als sichere Häfen gesucht und gewannen relativ kräftig an Wert.

Sofern Sie die Aktienanlage nach wie vor scheuen, betrachten Sie das bitte als ermunterndes Beispiel, wie die Aktie im Sinne Ihrer Vermögensziele und privaten Finanzplanung strukturiert zu nutzen ist. Sind Sie bereits investiert, dann bleiben Sie es! Ohne die Aktie ist ein realer Vermögenserhalt in Zukunft deutlich schwerer zu erreichen.

 

Gefühl und Wirklichkeit

Geldanlage hat sehr viel mit Psychologie und Emotionen zu tun. Jetzt habe ich versucht, Ihr möglicherweise schlechtes Gefühl gegenüber der Aktie aufzuhellen. Trotzdem bleiben möglicherweise Zweifel, ob die allgemeine Lage tatsächlich so „normal“ oder gar „günstig“ für eine Geldanlage ist. Ist sie es?

Nachdem ich bislang so positiv erschien, werde ich gegebenenfalls wieder überraschen: „Nein, das ist sie tatsächlich nicht!“, lautet meine klare Antwort. Das hat aber nichts mit der Aktie zu tun.

Wir befinden uns vielmehr inmitten einer so nie dagewesenen globalen Krise des Geldes, wie ich sie in den vergangenen Kommentaren immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln hergeleitet habe.

Ursache sind die staatlichen Zentralbank-Geldmonopole, die, ohne lokalen Geldwettbewerb fürchten zu müssen, ungehemmt ihr schlechtes Monopolgeld in Gestalt des Euro, des US-Dollar oder Japanischen Yen produzieren. Das Konzept ist global das gleiche: Ohne jegliche Deckung werden Unmengen Geld per Knopfdruck geschöpft. Jeder Geldeinheit steht die Gegenbuchung einer neuen Krediteinheit entgegen. Somit steigt auch kontinuierlich das globale Kreditvolumen.

Wir hatten schon 2007 eine Kreditkrise, die als US-Immobilienkrise ein erstes Ventil gefunden hatte. Daraufhin folgten die Bankenkrise und die Staatsschuldenkrise. Inzwischen befinden wir uns längst in einer Währungskrise. Geld hat für den Gläubiger bei null Prozent Zinsen seinen Wert verloren. Noch dazu sind zahlreiche große Schuldner ohne Stützungsmaßnahmen gar nicht mehr zur Rückzahlung in der Lage. Ganz zu schweigen davon, wenn die Zinsen wieder auf einem natürlichen Niveau wären.

Das alles sind keine unterschiedlichen Phänomene, sondern schlicht Dominosteine in der Reihe eines fatalen Spiels: der Schöpfung von ungedecktem Geld auf Kredit!

Um diese Krise in den Griff zu bekommen und eine breite Deflation zu verhindern, wurde kräftig weiter produziert. Seit 2008 stieg die globale Staatsverschuldung so um weit über 80 % an und wird das in 2008 schon hohe Niveau in absehbarer Zeit verdoppelt haben. Das Schulden- bzw. Geldproblem ist demzufolge alles andere als aus der Welt geschaffen. Sind das aber Gründe, um die Finger von der Aktie zu lassen? Ganz im Gegenteil! Es sind Gründe, die zunächst einmal für Realwerte und gegen Geldwerte sprechen. Denn mit jeder Geldeinheit, die Sie z.B. auf dem Tagesgeldkonto halten, ist perspektivisch eine anwachsende Ausfallwahrscheinlichkeit verbunden.

Darüber hinaus wird die Bekämpfung einer drohenden Deflation mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durch die Zentralbanken und Regierungen bekämpft werden. Zitat Mario Draghi im Kontext der Euro-Rettung: „Whatever it takes!“

Mit weiter steigender Geldproduktion bei Nullzinsen verläuft der Kapitalstrom in Richtung der Anlagevehikel, die Renditen liefern – auch wenn sie weniger liquide sind (z.B. Immobilien) oder mit Volatilität verbunden sind (z.B. Aktien). Diese Anlagen steigen dadurch im Wert, werden teurer und mit zunehmender Zeit weniger rentabel. An dieser Stelle gilt tatsächlich: Diejenigen, die als letztes in den Markt hineingehen, werden die Verlierer sein!

 

Fazit

Das Geld ist in seiner bislang größten Krise. Die Zinsen sind historisch niedrig und eine Normalisierung ist nicht in Sicht. Mit der als sicher erachteten Tagesgeldanlage lässt sich Vermögen real nicht mehr erhalten. Durch die stetig zunehmende Verschuldung steigt das Verlustrisiko der Geldhaltung kontinuierlich. Über das Medium Geld entwickeln sich auch die Renditen anderer Anlageklassen, wie der Immobilie, allmählich in Richtung des Zinsniveaus.

Es gilt jetzt zu handeln und Gelegenheiten für Aktienkäufe zu nutzen. Des einen Risiko, ist des anderen Chance. Alles im Leben ist eben eine Frage der Sichtweise. Sehen Sie die Aktie positiv und Sie werden von ihr profitieren!

Nehmen Sie meinen Apell auf und nutzen Sie die Aktie sorgsam mit dem Ziel des realen Erhalts und Ausbaus Ihres Vermögens. Wir stehen Ihnen für Ihre Vermögensausrichtung bereit.

 

Jörg Haldorn, CFP

Hofheim am Taunus im August 2016